Kann das Immunsystem krank machen?
Jeder will doch ein starkes Immunsystem. Wer kennt ihn nicht den Spruch: das Immunsystem stärken. Doch was soll das heißen? Geht das denn überhaupt und ab wann schädigt man es? Was ist dran an dem Superfood Kurkuma? Was macht Stress mit dem Immunsystem? Was hat der Darm damit zu tun? Was ist in der Schwangerschaft anders?
Was ist eigentlich das Immunsystem?
Das Immunsystem besteht aus Millionen von verschiedenen Zellen, die ähnlich wie kleine Tierchen unseren Körper durchstreifen und dafür sorgen, dass körperfremde und unerwünschte Stoffe, Baktieren oder Viren bekämpft und ausgeschieden werden.
Einige von ihnen sind agressiv, andere wiederum sorgen dafür, dass sich die agressiven Immunzellen wieder beruhigen. Manche bilden Antikörper oder schütten Zellgifte aus, andere fressen Baktieren oder entsorgen Zelltrümmer. Sie können Fieber erzeugen, Schwellungen Ausschlag oder Rötungen verursachen, das Herz schneller schlagen lassen, die Blutgefäße verengen oder erweitern. Das klingt vielleicht dramatisch, aber ohne sie könnten wir nicht leben.

Immunzellen, eigentlich weiße Blutkörperchen oder Leukozyten, gehören zu unseren Blutzellen. Ebenso wie die roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff in die Zellen transportieren oder die Blutplättchen, die dafür sorgen, dass sich Wunden schließen können.
Zu den Leukozyten gehören Lymphozyten, Granulozyten Monozyten, Mastzellen sowie die dentritischen Zellen.
Lymphozyten
Die Lymphozyten sind einer der wichtigen Werte im großen Blutbild. Sie sollten 20-45% der Leukozyten ausmachen.
B-Lymphozyten werden in den Knochenmark gebildet und können bei Kontakt mit Antigenen diese zerlegen und präsentieren sie den T-Helferzellen, welche Zytokine herstellen. Diese wiederum aktivieren die B-Lymphozyten die jetzt dafür sorgen, dass Antikörper gegen die Antigene hergestellt werden. Kurz gesagt: sie sind für die Herstellung eines körpereigenen Medikamentes zuständig. Sie können auch in Gedächtniszellen umgewandelt werden und sorgen bei einer erneuten Erkrankung für eine schnellere Immunantwort. Im Blutbild sind sie als CD19+ zu finden.
T-Lymphozyten werden ebenfalls im Knochenmark gebildet. Sie gelangen über das Blut in den Thymus. Er befindet sich hinter dem Brustbein. Hier werden sie nach Bedarf in verschiedene Zelltypen umgewandelt werden. Zwei der Zelltypen haben Sie vielleicht schon mal in einem Ihrer Blutbefunde gesehen: die Rezeptoren CD4+ und CD8+ (bekannt auch als T-Helferzellen und zytotoxische Zellen). Sie organisieren die Verteidigung, können sich die Angreifer merken oder sie zerstören.
NK-Zellen oder auch natürliche Killerzellen haben die Fähigkeit, Zellen zu veranlassen, sich selbst zu zerstören. Dies ist z.B. bei einem Virenbefall oder einer Tumorzelle sehr wichtig. Sie sind ein Teil unseres angeborenen Immunsystems.
Ganulozyten
Die Granulozyten finden Sie ebenfalls im großen Blutbild. Sie sind gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind eine Familie von Zellen, die kleine Körnchen, die Granulome enthalten. Diese Körnchen können verschiedene Immunbotenstoffe aktivieren, die wiederum Eindringlinge oder Fremdstoffe bekämpfen bzw. auch körpereigene Stoffe inaktvieren und weiterverstoffwechseln.
Zu den Granulozyten zählen Neutrophile Granulozyten, Eosine Granulozyten und Basophile Granulozyten.
Neutrophile Granulozyten kommen am häufigsten vor und sind für Bakterien, Toxine und den Abbau körpereigener Stoffe wie Histamin zuständig.
Eosinophile Granulozyten können eine Zellschädigung auslösen. Sie werden hauptsächlich für die Abwehr von Parasiten benötigt, treten allerdings auch bei allergischen Reaktionen vermehrt auf. Sie sind auch für den Abbau von Firbin (der Klebstoff bei Wunden) zuständig.
Basophile Granulozyten enthalten Histamin, Heparin und Serotonin. Sie sind für die allergischen Symptome wie das Nasenlaufen, die geröteten Augen und die Astma-Anfälle zuständig.
Monozyten/Makrophargen, Mastzellen und Dentritische Zellen
Monozyten bewegen sich im Blut, bis sie ins Gewebe wandern. Dort verändern sich sich in Makrophargen. Je nach dem Gewebe, in das sie gewandert sind, ist ihre Art und Funktion verschieden. Sie haben verschiedene Aufgaben bei der Immunabwehr, u.a. der Steuerung von Entzündungsreaktionen, Bekämpfung von Tumorzellen, der Antigenpräsentation, der Produktion von Zytokinen oder der Regeneration von Muskelfasern.
Mastzellen sind für die Wundheilung und der Abwehr von Giftstoffen sehr wichtig. Außerdem spielen sie bei der allergischen Reaktion eine wichtige Rolle.
Dentritische Zellen durchkämmen die Gewebe und tasten alles und jeden ab, ob er/sie/es ein ungewollter Fremdlig sein kann. Sollten sie einen Fremling oder ein Pathogen entdecken, wird es zerlegt und Teile davon den T-Zellen präsentiert, damit diese wiederum sich um die Antikörperbildung kümmern können. Hinter der Darmwand befinden sich besonders viele dieser Zellen, die mit ihren Ärmchen durch die Darmwand ins Darminnere greifen können und dort nach den Eindringlingen sucht.
Natürliche Killerzellen
Die Natürlichen Killerzellen gehören zum angeborenen Immunsystem. Sie erkennen Freund und Feind und greifen eigenständig unbekannte Eindringlinge bzw. Tumorzellen an.
Wenn das Gleichgewicht kippt
Solange jede Zelle ihren Dienst erledigt und nach Erledigung das auch wieder beendet, ist eine effektive Immunreaktion zu sehen. Erreger werden durch einen Fieberschub und gleichzeitigen Angriff bekämpft. Verletzungen werden schnell versorgt, durch Immunzellen geschützt und geschlossen.
Was passiert aber, wenn es falsch reagiert? Oder gar nicht? Oder ständig?
Man kann sich das Immunsystem eigentlich wie einen riesiges Ameisenvolk vorstellen. Ein Teil ist nichts und das Gesamt“volk“ reagiert von außen gesehen chaotisch und trotzdem gezielt und unglaublich effektiv. Informationen werden von Ameise zu Ameise weitergeben. Wenn von außen jetzt ständig Eindringlinge in den Ameisenhaufen gelangen, wird das Volk permanent in Aufruhr sein. Jede noch so kleine unbekannte Größe wird plötzlich zum potentiellen Feind. Der Anteil der Verteidungsarmee wird erhöht, um effektiver zuschlagen zu können.
So ähnlich läuft es auch in unserem Körper ab. Das Immunsytem produziert Antikörper und schüttet Entzündungsbotenstoffe aus. Irgendwann ist es so viel, dass die Entzündungen nicht nur noch lokal an der entsprechenden Stelle enstehen, sondern überall im Körper.
Nicht selten beginnt das Problem im Darm, wenn hier die Bakterien, welche die kurzkettigen und schützenden Fettsäuren bilden, zu wenig werden. Es entstehen leichte Entzündungen, weniger schützender Schleim wird gebildet, so dass irgenwann der Punkt gekommen an dem an einer Stelle der Schutz nicht mehr da ist. Der Darm wird durchlässig – ein Leaky Gut. Verschiedenste Stoffe können plötzlich durch die Darmwand in Richtung Körperinneres durchwandern.

Hinter der Darmwand sitzen unzählige Immunzellen, insgesamt ca. 70-80%! Und diese reagieren direkt. Sie räumen auf, schicken ihre Entzündungsbotenstoffe auf den Weg und bekämpfen Erreger, die sich auch mit durchgemogelt haben. Eine kleine Stelle stellt auch normaler Weise kein Problem dar. Wenn es mehr wird und nicht wieder aufhört….
Krankheiten entstehen
Die Entzündungsbotenstoffe wandern durch den Körper und erzeugen überall „stille Entzündungen“ – silent Inflamation. Im Labor lässt sich das noch gar nicht richtig abbilden. Der CRP-Wert dümpelt im unteren Bereich herum. Manchmal empfindet man sogar das Gefühl, man ist leistungsfähiger, da die Stresshormone auch erhöht sind.

Irgendwann kommt der Punkt, an dem einzelne Organe durch die stängigen Entzündungsreaktionen nicht mehr ihre volle Leistung haben und immer mehr abbauen. Gelenke entzünden sich, Diabetes beginnt, Bluthochdruck, Kopfschmerzen, die Liste ist ellenlang.
Das Immunsystem kippt
Auch das Immunssystem kann dabei aus dem Gleichgewicht geraten, indem z.B. die Regulation zwischen dem Immunsystem-hochfahren und Immunsystem-wieder runterregulieren nicht mehr funktioniert. Es kann sowohl so weit kommen, dass es stängig auf Angriff geht, als auch, dass es verzweifelt versuch, über die Herunterregulierung wieder Ruhe reinzubringen. Beide Zustände können z.B. Autoimmunerkrankungen hervorrufen und sind für den Körper nicht gut.
Andere Bereiche vom Immunssystem versuchen nun, das Problem trotzdem weiter zu bekämpfen. Z.B. werden die NK-Zellen hochgefahren.
Was kann man tun?
Zuerst einmal, an der Ursache arbeiten – Ballaststoffe ausreichend in die Nahrung einbauen. Das geht nicht von heut auf morgen, aber langfristig gibt es definitiv dem Körper die Vorrausetzungen, um solchen Entzündungen vorzubeugen. Wenn Sie sich mal die Folgen von den Ernährungsdocs im NDR angesehen haben, dann finden Sie fast keinen Patienten, dem eine ballaststoffreiche Ernährung nicht nahe gelegt wird.
Für die Darmbakterien sind die löslichen Ballaststoffe wichtig. Diese können sie verdauen und die kurzkettigen Fettsäuren daraus bilden. Die unlöslichen Ballaststoffe sind für die Menge des Stuhls wichtig, vor allem bei Verstopfungen sind sie günstig, da sie den Darm (außer bei bestimmten Erkrankungen) durch die Ausdehnung dazu motivieren, sich besser zu bewegen. Voraussetzung ist hier, dass immer ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Dies ist bei Patienen mit einer chronischen Niereninsuffizienz oder Wassertabletten oft nicht richtig einschätzbar. Ein guter Anhaltspunkt ist immer der Hauttest. Ziehen Sie die Haut am Handrücken. Wenn sich die Haut nicht schnell wieder glattzieht, sondern etwas stehen bleibt, dann sollten Sie etwas mehr trinken, bis der Wasserhaushalt wieder ausgeglichen ist!
Weiterhin sollte die Ernährung ausgewogen und der Teller „bunt“ sein. Mit bunt ist gemeint, dass man viel Gemüse und etwas Obst essen soll, das verschiedene Farben hat.
Damit hat man automatisch verschiedene Vitamine und Mineralstoffe sowie sekondäre Pflanzenstoffe, die eine entzündungshemmende und antientzündliche Wirkung besitzen (lt. DGE).

Kauen Sie! Das bitte lange und ausgiebig, bis das Essen nur noch ein weicher Brei im Mund ist. So werden die Nahrungsmittel für die Verdauung optimal vorbereitet und können wesentlich besser aufgenommen werden.


Was passiert in der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft ist der Körper der Mutter in einem Ausnahmezustand. Um das Baby nicht abzustoßen, fährt er das agressive Immunsystem herunter und das beruhigende hoch. Dies muss man bei allen Behandlungen mit berücksichtigen. Hier gezielt mit Pflanzen, Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln zu agieren, welche die Immunsystemregulierung beeinflussen kann gefährlich werden. Hier haben die Ärtze bzw. speziell ausgebildete Hebammen das letzte Wort.
Superfoods – Fluch oder Segen
Superfood klingt ansich schon mal super. Wer hat nicht schon von Kurkuma, Quinoa, Chia, Maca, Chorella & Co gehört? Aber wussten Sie, dass Kurkuma, sofern es vom Magen-Darm-Trakt in den Körper aufgenommen werden kann, aktiv das Immunsystem herunter reguliert?
Wenn Sie sich an den oberen Abschnitt mit den Autoimmunerkrankungen erinnern, kann es durchaus passieren, dass der Effekt noch weiter verstärkt wird. Noch gefährlicher wird es im Bereich der Krebstherapie. Hier ist das Immunsystem bereits in der Defensive und sollte definitiv nicht weiter herunter reguliert werden.
Was macht Stress?
„Ich brauche den Stress, er gibt mir Energie!“ – „Positiver Stess ist doch was Gutes – oder?“ – „Ich kann mich gar nicht entspannen – da dreh ich total am Rad!“ – „Urlaub – das geht nicht, da geht in der Arbeit sonst alles den Bach runter!“
Immer mal wieder etwas guten Stress zu haben, tut sicher gut. Man fühlt sich fit, gebraucht und steckt das auch gut weg. Sobald der Stress aber nicht mehr aufhört und zu unserem Lebensmittelpunkt wird, hört der Spaß auf. Das Immunsystem verschiebt sich in Richtung „Gegenregulation“. Entzündungen steigen massiv. Die funktionierende Verdauung ist nur noch eine Erinnerung. An Durchschlafen ist schon lang nicht mehr zu denken.
Gefährdet sind hier vor Perfektionisten. Sie leben dafür und alles, was nicht nach ihren Wünschen, Erfahrungen und Vorstellungen abläuft, kann sie auf die Palme bringen. Das Resultat ist nach einigen Jahren manchmal ein Burn-Out, Schlafstörungen oder auch Herzerkrankungen bzw. Diabetes. Dazu kommt ein nicht mehr regulationsfähiges Immunsystem. Erkrankungen wie Grippe, Corona, Magen-Darm-Beschwerden können zur Farce werden und die Heilung oft Monate dauern.
Immunsystem stärken
Letztendlich geht es doch darum, das Immunsystem zu stärken. Doch wie Sie schon gelesen haben, ist scheint das ein Problem werden zu können. Denn etwas zu geben, was das Immunsystem beeinflusst, heißt nicht unbedingt, es richtig zu beeinflussen. Ich kann nämlich genau das Gegenteil erreichen, was ich eigentlich wollte. Mit der gesunden und ausgewogenen Ernährung machen sie sicher nichts falsch. Sobald Sie gezielt eingreifen möchten über Pflanzenpräparate und Nahrungsergänzungsmittel, sollten Sie auf jeden Fall genauer hinschauen.
Es gibt sicher Situationen, in denen man den Status des Immunsystems überprüfen solle. Z.B. wenn Sie mit einer Therapie einfach nicht weiter kommen oder überhaupt nicht wissen, in welchem Zustand das System befindet. In den letzten Jahrzehnten hat sich hier viel in der Forschung und der Labordiagnostik getan. Die Zusammenhänge und Mechanismen werden immer besser verstanden und können auch Dank der Immuntherapie direkt beeinflusst werden.
In der Immuntherapie gibt es die Möglichkeit, über Kleinstmengen an Immunmodulatoren das Immunsystem sanft in eine Richtung zu regulieren. Die Mengen gehen nicht über die natürlich im Körper vorhandenen Mengen hinaus. Inzwischen bestätigen immer mehr Studien die Wirksamkeit dieser Mikroimmuntherapie, z.B. bei Allergien, Arthritis, Parkinson, begleitenden Krebstherapie oder bei verschiedenen Herpes-Viren. Um hier den richtigen Ansatz auswählen zu können, ist die labordiagnostische Abklärung teilweise nötig.

Chronische Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen
Rheumatische Erkrankungen, Diabethes, Gicht, Schilddrüsenerkrankungen, Hashimoto, Über- oder Untergewicht
weitere Informationen in Chronische Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen

Ernährungs- und Orthomolekulare Therapie
Über- oder Untergewicht, Ausgleich von Mangelerscheinungen, spezielle Ernährung bei verschiedenen Krankheiten
weitere Informationen in Ernährungs- und Orthomolekulare Therapie

Labordiagnostik
Um die Hormonsituation beurteilen zu können, ist oft eine Labordiagnostik sinnvoll. Einen Teil der Hormone kann man einfach über den Speichel messen, einige über den Urin und ab und an ist es nötig, Blutproben zu entnehmen.
Ebenso können Nährstoffdefizite in bestimmten Fällen über das Labor gemessen werden.

Zum Weiterlesen
https://www.dge.de/wissenschaft/fachinformationen/sekundaere-pflanzenstoffe-und-die-gesundheit
Leaky Gut, IMD Berlin: https://www.imd-berlin.de/spezielle-kompetenzen/leaky-gut
* Ich verwende im Beitrag die männliche Form der Personennennung, um den Lesefluss nicht zu stören. Es sind immer Frauen und Männer gleich gemeint. Wen dies stört, wird mit mir als Therapeutin wahrscheinlich sowieso nicht glücklich 🙂